4067: Emil Nolde – weiter umstritten

Dass von Nordfriesland einmal ein „kulturpolitisches Beben“ ausgehen würde, damit haben viele nicht gerechnet. Durch den Maler Emil Nolde, der weithin als Maler sehr beliebt und ein übler Nazi und Antisemit war. Das Nolde-Museum in Seebüll ist gerade frisch saniert worden. Die Aufklärung über Noldes Verstrickungen in den Nationalsozialismus, zurückhaltend formuliert, hatte der 2013 ins Amt gekommene Direktor der „Emil-und-Ada-Nolde-Stidtung“, Christian Ring, in Gang gesetzt und bis zum heutigen, viel besseren Stand weitergeführt. Vorher hatte die 1956 geründete Stiftung dafür gesorgt, dass Noldes ideologische Verfehlungen im „Giftschrank“ blieben. Das geht auf die Dauer nicht gut.

Nolde war beinahe als Widerstandskämpfer stilisiert worden. Erst Christian Ring sprach dann öffentlich von seinem „widerlichen Antisemitismus“. Zuerst kam dies in großem Stil in der Nolde-Ausstellung im Hamburger Bahnhof in Berlin 2019 zum Ausdruck, die ich selbst gesehen habe. Emil Nolde war ein glühender Nazi. Die Legende vom Malverbot und „innerem Widerstand“ wurde nach 1945 wiederum von alten Faschisten verbreitet. Der für seine kräftigen Originalfarben, Orange, Azur, Himbeerrot, berühmte und bewunderte Nolde war ein fürchterlicher Ideologe. Zum rechten Verständnis kommt es – wie immer – auf die richtige

Kontextualisierung

an. Christian Ring sagt: „Es macht keinen Sinn, unter jedes Bild zu schreiben: Emil Nolde, Expressionist, Nationalsozialist, Antisemit. Es ist aber wichtig, dass wir die biografischen Aspekte mitschwingen lassen, ohne den Blick auf das Kunstwerk an sich zu verlieren.“ Wie weit dürfen Person und Werk auseinandergehalten werden? Seit der Bekanntgabe von Noldes NSDAP-Mitgliedschaft wird zunehemnd die Frage gestellt, ob Noldes Werk nicht doch seine böse Ideologie transportiert. Das ist die Gretchenfrage. Dabei stoßen wir darauf, dass solch ein Weltkünstler wie

Anselm Kiefer

sich dazu hat hinreißen lassen zu sagen: „Die Diskussionen in den Medien berühren nicht die Werke des Künstlers.“ Dabei wird deutlich, dass Kiefer wohl doch nicht ganz auf der Stufe eines problembewussten Demokraten steht. Haben das nicht einige schon immer gesagt?

Die angeblich kolonialistischen Bilder Noldes von seiner Papua-Neuguinea-Reise sollen nun im Vergleich mit den Porträts von Italienern, Spaniern und von Juden gezeigt werden, um sein „Menschenbild“ zu diskutieren. Von 1939 an malte Noldes keine regiösen Bilder mehr, weil er keine Juden zeigen wollte. Dafür präsentierte er Wikinger. Christian Ring: „Das Werk hält es aus, dass darüber hart diskutiert wird.“ Der Stiftungs-Direktor: „Wir wollen keine Deutungshoheit mehr über Nolde wie in der Vergangeheit. … Wir gehören hier in Seebüll zu Noldes schärfsten Kritikern – im besten Sinne.“ (Till Briegleb, SZ 17.10.22)