3111: Großbritannien ist tief gespalten.

1. Die gegenseitige scharfe Ablehnung der Brexit-Gegner (Remainer) und -Befürworter (Leaver) finden wir auch auf anderen politischen Feldern.

2. Das im Zuge der „Black-Lives-Matter-Bewegung“ in Gang gekommene Denkmalstürzen wird von Leavern scharf abgelehnt (80 Prozent).

3. Die Leaver verwerfen den liberalen großstädtischen Multikulturalismus.

4. Der Vorschlag, das Singen der patriotischen Hymne „Rule Britannia“ bei den BBC-Promenadenkonzerten abzuschaffen, stieß bei Leavern auf entschiedenen Protest.

5. Die Leaver möchten die Souveränität des Parlaments wieder herstellen gegen Einmischungen der Justiz.

6. Die Remainer in der gebildeten Mittelschicht (mit Home-Office) unterstützen die Corona-Politik der Regierung.

7. Die Leaver aus der Arbeiterklasse und bei den kleinen Selbständigen sind demgegenüber skeptisch.

8. Es steht ein zugleich kosmopolitisches und regulierungsfreundliches Elitenmilieu gegen das bodenständige Alt-England.

10. Bei den letzten Unterhauswahlen hat Boris Johnson es geschafft, Stammwähler im Bürgertum mit der patriotisch gestimmten Arbeiterklasse zu vereinen.

11. Die Leaver stellen die nationale Gemeinschaft obenan und schätzen Großbritanniens Geschichte (Schlacht bei Hastings 1066 etc.).

12. Margaret Thatcher stand mit ihrer marktradikalen Politik gegen die Gewerkschaften.

13. Tony Blair betrieb kulturelle Modernisierung im gesellschaftlichen Konsens.

14. Boris Johnson führt seinen Kulturkampf möglicherweise mit einem schlechten Gewissen.

15. Die Frage ist, was Großbritannien sein soll, ein Paradies der Wettbewerbsfähigkeit oder ein wiederbelebter Sozialstaat.

16. Nicht die negativen wirtschaftlichen Folgen des Brexit sind für Großbritannien das große Problem, sondern die tiefe gesellschaftliche Spaltung (Jan Ross, Die Zeit 15.10.20).