2929: Karl Otto Conrady ist tot.

Im Alter von 94 Jahren ist der bekannte Germanist Karl Otto Conrady in Köln gestorben. Er war der Herausgeber des „Großen Conrady“, einer wissenschaftlich fundierten Gedichtesammlung, und hat sich insofern um deutsche Gedichte verdient gemacht. Promoviert hatte er über Heinrich von Kleist, habilitiert über „lateinische Dichtungstradition und deutsche Lyrik“. In der Germanistik der fünfziger Jahre ging es nicht zuletzt auch um die Bewältigung des eigenen Mitwirkens als Jugendlicher im Naziregime.

1964 erhielt Conrady einen Ruf nach Kiel. Sogleich protestierte er gegen die Ehrung eines völkischen Schriftstellers. Damit setzte er eine hauptsächlich in der „Zeit“ geführte Debatte über die völkischen Wurzeln der „Deutschwissenschaft“ in Gang. Seinen Lehrer Benno von Wiese kritisierte er für dessen Opportunismus. Conrady saß für die SPD im Kieler Landtag. Zwei Jahre war er PEN-Präsident. Seine Goethe-Biografie hält die Mitte zwischen K.R. Eisslers psychoanalytischer Perspektive und Rüdiger Safranskis Huldigung (Willi Winkler, SZ 11./12.7.20).