1566: Michael Wolffsohn 70

Der 1947 in Israel geborene Michael Wolffsohn ist ein bekannter konservativer Zeithistoriker, der sich nicht scheut, bisweilen bizarre politische Thesen zu verfechten. Er steht der CDU nahe. Mit seinen Eltern, die 1939 fliehen mussten, kam er 1954 als Jude nach Deutschland zurück. Nach Berlin, wo er 1966 sein Abitur machte. Von 1967 bis 1970 diente er als Wehrpflichtiger in der israelischen Armee. Er ist Reserveoffizier der Bundeswehr.

An der Freien Universität Berlin studierte Wolffsohn Geschichte. Dort promovierte und hablitierte er sich (Geschichte und Politik). Zu seinen bekanntesten Lehrern gehörten die Sozialdemokraten

Richard Löwenthal und Ernst Fraenkel,

beide ehemalige jüdische Emigranten. Von 1981 bis 2012 lehrte Michael Wolffsohn Zeitgeschichte an der Universität der Bundeswehr in München. Er gehörte zeitweise zum Vorstand der Münchener jüdischen Gemeinde, den er aber im Streit verließ.

Im Jahr seines 70. Geburtstags publiziert Wolffsohn, der viele wissenschaftliche und politische Bücher veröffentlicht hat, wohl sein berührendstes und versöhnlichstes Buch:

Deutsch-jüdische Glückskinder. Eine Weltgeschichte meiner Familie. München (dtv) 2017, 440 Seiten, 26 Euro.

Darin zeigt er in vielen Anekdoten und Episoden, „dass nach allem und trotz allem im Mikrobereich ein deutsch-jüdisches Wir möglich war und ist“. Ich wünsche mir, dass Michael Wolffsohn recht hätte und behielte, auch wenn ich da sehr skeptisch bin.

Die Familie Wolffsohn stammte ursprünglich aus Polen. Wolffsohns Großvater zog nach Berlin und machte bei Ullstein eine Druckerlehre. Später gründete er mit zwei Brüdern einen Verlag, der bald führend wurde im Druck von Programmheften für Filmtheater. Eigene Kinos kamen hinzu. Schließlich von 1925 bis 1927 die Gartenstadt Atlantic im proletarischen Stadtteil Wedding. Ihr kulturelles Zentrum war die „Lichtburg“. Dieses Vermögen wurde Familie Wolffsohn von den Nazis entrissen. Nur mit Mühe, Geduld und Zähigkeit gelang es, es wenigstens teilweise zurück zu erhalten. Nach 2001 sanierte Michael Wolffsohn die Gartenstadt aufwendig. Eine jüdisch-deutsche Erfolgsgeschichte.

Wolffsohn stand mit manchen seiner politischen Äußerungen ziemlich allein. So als er 2004 bei „Maischberger“ zur Bekämpfung des Terrorismus Folter und ihre Ankündigung rechtfertigte. Als er 2011 eine jordanisch-palästinensische Bundesrepublik vorschlug. Als er 2012 die Beschneidung nicht als ausschlaggebend für Juden erklärte. Und als er 2015 die Annahme, Menschen könnten den Klimawandel beenden, für unmöglich erklärte.

Ein durch und durch selbstbewusster jüdisch-deutscher Analytiker der Politik (Jens Bisky, SZ 17.5.17).