3916: Nils Minkmar: Journalistenschule und -preis nicht nach Henri Nannen benennen !

Den journalistisch Interessierten unter uns ist Henri Nannen seit langem bestens bekannt. Hermann Schreiber wählte für seine lesenswerte Biografie 1999 den Untertitel „Drei Leben“. Damit verwies er auf Nannens Karrieren als 1. Soldat und Nazi-Propagandaspezialist (in Italien), 2. Chefredakteur des „Sterns“ und links-liberalen Prominenten und 3. als Kunst-Mäzen (in Emden/Ostfriesland). Um den deutschen Journalismus nach 1945 hat Henri Nannen sich verdient gemacht.

Seine Nazi-Vergangenheit hat Henri Nannen spät, aber früher die meisten anderen, eingestanden und sich dafür geschämt. 1979 schrieb er: „Wer sich nicht die Augen und Ohren zuhielt und das Gehirn abschaltete, dem blieb nicht verborgen, dass hier das perfekte Verbrechen seinen Weg nahm. Wir hätten es wissen müssen, wenn wir es nur hätten wissen wollen. Wer Soldat im Osten war, dem konnten die Judenerschießungen, die Massengräber und beim Rückzug die ausgebuddelten und verbrannten Leichenberge nicht verborgen bleiben. Ich jedenfalls, ich habe gewusst, dass im Namen Deutschlands wehrlose Menschen vernichtet wurden, wie man Ungeziefer vernichtete. Und ohne Scham habe ich die Uniform eines Offiziers der deutschen Luftwaffe getragen. Ja, ich wusste es, und ich war zu feige, mich dagegen aufzulehnen.“

Nils Minkmar hat sich nun in einem langen und differenzierten Plädoyer, in dem er pro und contra sorgfältig gegeneinander abwog, dafür ausgesprochen, eine Journalistenschule und einen Journalistenpreis nicht mehr nach Henri Nannen zu benennen (SZ 21.6.22): „Ebenso falsch ist es …., einen Mann wie Henri Nannen, ein Deutscher seiner Zeit, zum Vorbild für heutige und künftige Journalistinnen und Journalisten zu küren. Dazu ist seine Geschichte zu kompliziert. Es lohnt sich sehr, sie zu studieren, davon zu lernen und dankend anzuerkennen, dass er viel für das Land und die Branche getan hat – aber die Journalistenschule und auch der Journalistenpreis  brauchen einen neuen Namen.“