3122: Autoritäre Theorien aus dem Geist des Skeptizismus

Die Publikation des Buchs

Helen Pluckrose/James Lindsay: Cynical Theories

wurde vor einigen Wochen vom Lob größter Autoritäten begleitet. Mit den Autoren forderten der Psychologe Steven Pinker, die Frauenrechtlerin Ayaan Hirsi Ali und der Biologe Richard Dawkins

den wachsenden Einfluss unbegründeter Ideologien entgegenzutreten:

1. Gemeint sind Theorien über Geschlecht und Gender, über sexuelle Minoritäten, Rassismus, über Behinderte und Fettleibige.

2. Sie sind hergeleitet von dem radikalen Skeptizismus solcher Theoretiker (Philosophen) wie Michel Foucault (1926-1984) („Diskursanalyse“) und Jacques Derrida (1930-2004) („Dekonstruktion“). Ich führe unten weitere Kritik an ihnen auf.

3. Dort gibt es keine Wahrheit, sondern nur Machtkonstellationen.

4. Die Grundlagen einer bürgerlichen Liberalität und einer freien Wissenschaft werden geopfert.

5. Im Oktober 2018 hatten Pluckrose und Lindsay gemeinsam mit dem Philosophen Peter Boghossian einen selbstveranstalteten Schwindel („Hoax“) veranstaltet. Nämlich 20 konstruierte Aufsätze zur Publikation angeboten.

6. In einem wurde behauptet, man habe auf Grund empirischer Forschungen an 10.000 Hunden ermittelt, dass es unter diesen Tieren eine Vergewaltigungskultur gebe.

7. In einem anderen Aufsatz wurde eine Verbindung zwischen dem Penis, einer „Hypermännlichkeit“, und dem Klimawandel gezogen. Mehrere Aufsätze wurden angenommen.

8. Den skeptischen Theorien sei der Feminismus in dem Bestreben entgegengekommen, die herrschende Meinung auf den Kopf zu stellen.

9. Macht besteht hier insbesondere aus Sprache (eine nominalistische Zuschreibung).

10. Am Ende geht es um Versuche, selbst die Mathematik, weil ebenfalls sexistisch und rassistisch, der neuen moralischen Ordnung zu unterwerfen.

11. Manchmal bekommen Minderheiten eine höhere gesellschaftliche Geltung als die Mehrheit.

12. Wer Gleichstellung will, muss Gleichheit relativieren.

13. So entsteht eine Kultur des Misstrauens und der Kolportage.

14. Dem kann man nur mit Wissenschaft begegnen (Thomas Steinfeld, SZ 2.11.20).

Kurzzusammenfassung: So erreichen die, welche alles dekonstruieren (wollen), tatsächlich die Aufrichtung (Konstruktion) einer neuen autoritären Moral (da ist „moralisch alles korrekt“).

Kritik an Michel Foucault übten Marxisten, die „Frankfurter Schule“ (Max Horkheimer, Theodor W. Adorno) und Jürgen Habermas. Er warf Foucault vor, in der Vernunftkritik Friedrich Nietzsches hängenzubleiben und sich in Selbstwidersprüche zu verstricken. Der Linguist Noam Chomsky hielt Foucault noch für den verständlichsten Poststrukturalisten, seine Arbeiten blieben aber letztlich unklar. Für den deutschen Historiker Hans-Ulrich Wehler hat Foucault die Theorien von Max Weber und Norbert Elias nicht rezipiert, er sei ein „Rattenfänger“.

Mit Jacques Derrida sind einige Psychoanalytiker verbunden (z.B. Nicolas Abraham). Vertreter der analytischen Philosophie vermissen bei ihm die erforderliche wissenschaftliche Klarheit. Noam Chomsky warf ihm eine prätentiöse Rhetorik vor, die seine Gedanken unklar machten. Der Politologe Mark Lilla kritisiert Derridas „Nihilismus“.