3213: Über die Demokratie in Frankreich

Mit Referenz auf das Hauptwerk des großen französischen Publizisten und Sozialwissenschaftlers Alexis de Tocqueville (1805-1859) „Über die Demokratie in Amerika“. 2 Bde. 1835/40 nenne ich die aktuellen Ausführungen des französischen Historikers Pierre Rosanvallon, 72, zu Frankreich „Über die Demokratie in Frankreich“. Ich bringe hier Auszüge von Aussagen, die Rosanvallon in einem Interview mit Martina Meister (Die Welt 2.1.21) gemacht hat.

„In Frankreich nähern wir uns einer technokratischen Demokratie mit Hang zur Freiheitsbeschränkung.“

„Übergriffe der Polizei werden in Kauf genommen, solange das Ergebnis stimmt. Und das gewünschte Ergebnis heißt Ordnung.“

„Jedenfalls hinterlässt die Omnipräsenz der Gewalt Spuren. Die Enthauptung des Lehrers Samuel Paty ist ein Beleg für importierte Gewalt, die wir aus Europa nicht fernhalten können. Der getötete Busfahrer aus Bayonne dagegen, der erschlagen wurde, weil er auf die Maskenpflicht gepocht hatte, ist ein Beispiel für soziale Gewalt, die aus dem Inneren der Gesellschaft kommt. Wenn die herkömmlichen Kanalisierungsmöglichkeiten geschwächt werden, dann bricht sich die Gewalt ungezügelt Bahn. Wenn Worte an Wirkung verlieren, ist es die Gewalt, die an Macht gewinnt.“

„Macrons großes Problem ist es, dass er eine Modernisierung der Institutionen mit einem Versuch der Marginalisierung der Gewerkschaften verwechselt hat. Er war davon überzeugt, dass er die ewige Rechts-Links-Spaltung überwinden könne. Wegen des Mitgliederschwunds schienen ihm die Gewerkschaften unbedeutend. Aber er hat anderen Vermittlungsinstanzen keine Chance gegeben, obwohl es in Frankreich eine lebendige Landschaft von Vereinen und Bürgerinitiativen gibt. Macron wollte ‚tabula rasa‘ machen, was zu einem hochexplosiven Duell geführt hat: Er allein gegen das gesamte Land. Das ist gefährlich und hat populistische Züge.“

„Macron erkennt, wo Schwierigkeiten liegen, aber dann bildet er sich ein, dass er die Probleme selber lösen kann. Es müssen neue Formen der Entscheidungsfindung und der Repräsentation erfunden werden.“

„Der permanente Ausnahmezustand, den wir jetzt erleben, ist gar nichts verglichen mit dem, was Menschen im Nahen Osten oder in Afrika erleiden. Es geht uns vergleichsweise gut.“