2871: Irm Hermann ist tot.

Sie gehörte (neben Margit Carstensen, Hanna Schygulla, Ingrid Caven) zu den großen Fassbinder-Schauspielerinnen. Eine Schauspielausbildung hatte sie nicht absolviert, als sie 1965 als Sekretärin beim ADAC zu Fassbinder kam. Sie wurde gleich seine erste Muse und Lebenspartnerin. Seit 1968 arbeitete sie mit am „Antitheater (neben Peer Raben, Hanna Schygulla, Kurt Raab und Harry Baer). Gekennzeichnet durch eine hohe Stimme und als geeignete Präsentatorin des Kleinbürgertums, bei dem sich allerdings Abgründe auftaten.

Einige der ersten markanten Fassbinder-Filme von Hermann waren „Liebe ist kälter als der Tod“ (1969), „Katzelmacher“ (1969), „Händler der vier Jahreszeiten“ (1971), „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ (1972) und „Angst essen Seele auf“ (1973). Sie galt als Fassbinders Geschöpf wie ihr Gegentyp Hanna Schygulla. Aber ihr Potential ging weit darüber hinaus. Sie bekam den Bundesfilmpreis 1971 und heiratete 1975 den Autor Dietmar Roberg, mit dem sie zwei Söhne bekam. 1980 spielte sie in „Berlin Alexanderplatz“ und „Lili Marleen“. Gefragt war sie auch bei Regisseuren wie Hans W. Geißendörfer, Reinhard Hauff und Werner Herzog. Für ihre Rolle als Mitgefangene Sophie Scholls in Percy Adlons „Fünf letzte Tage“ (1983) bekam sie den Deutschen Filmpreis. Sie wirkte in einigen Filmen des Enfant terribles, Christof Schlingensief, mit und gelangte an Frank Castorfs Berliner Volksbühne. Dort glänzte sie in einigen Stücken Christoph Marthalers. 2016 erhielt sie einen umjubelten Abschied. Nun ist Irm Hermann gestorben (Christine Dössel, SZ 29.5.20).