4095: Deutschland und die NATO

„Wenn man also sieht, dass sämtliche Bundesregierungen in den letzten Jahren immer deutlich weniger Geld in die Verteidigung investiert haben als die zwei Prozent der Wirtschaftsleistung, zu denen sich eben jene Bundesregierungen zusammen mit allen anderen Nato-Partnern verpflichtet hatten, dann muss man zu diesem Schluss kommen: Die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands war diesen Bundesregierungen entweder egal. Oder sie haben darauf spekuliert, dass im Ernstafll schon die Amerikaner da sein werden, um uns zu beschützen. Beide Sichtweisen sind nicht mehr haltbar.

Der ersten hat Wladimir Putin ein jähes und brutales Ende bereitet. Russlands Überfall auf die Ukraine hat deutlich gemacht, dass Deutschland zwar davon träumen kann, Friedensmacht zu sein und möglichst wenig Geld für sein Militär auszugeben. Aber die Lehre des 24. Februar 2022, an dem der erste große Landkrieg in Europa seit 1945 begann, lautet: Deutschland interessiert sich vielleicht nicht für den Krieg, aber der Krieg interessiert sich für Deutschland.

Die zweite Annahme, dass Deutschland sich auf ewig unter dem amerikanischen Schutzschirm verkriechen könne, ist ebenso falsch. Es gibt – in Washington vor allem einen Menschen, der immer noch daran glaubt, es sei Amerikas heilige Pflicht, Europa vor den Russen zu retten. Zum Glück heißt dieser Mensch Joe Biden und ist US-Präsident. Aber er wird höchstens noch sechs Jahre im Amt sein. Egal, wer ihm nachfolgt, er oder sie wird nicht mehr Milliarden amerikanischer Steuerdollars in die Verteidigung eines sehr reichen – und zuweilen recht undankbaren – Kontinents stecken. Für Europas Zukunft werden in die Zukunft die Europäer selbst sorgen müssen.

In der Nato beginnt angesichts dieser Veränderungen die Debatte darüber, ob die alte Zielmarke bei den Verteidigungsausgaben von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die nach der Annexion der Krim durch Putin 2014 beschlossen wurde, noch angemessen ist. Ob sie angehoben werden sollte, und, wenn ja, auf welche Zahl. Auf zweieinhalb Prozent? Auf drei Prozent, wie einige osteuropäische Staaten fordern?

Deutschland kann  sich dieser Debatte nicht verweigern. Laut Nato-Schätzungen investiert das Land in diesem Jahr 1,44 Prozent seiner Wirtschaftsleistung in die Verteidigung – mehr als Dänemark, weniger als Italien. Die Bundesregierung wird ihre Militärausgaben nicht mit einem Schlag und dauerhaft verdoppeln können, was notwendig wäre, um ein Drei-Prozent-Ziel zu erreichen. Aber es reicht auch nicht, wenn sich der Bundeskanzler und seine Ministerinnen und Minister nun plötzlich schneidg hinstellen und verkünden, Deutschland werde kündtig das zehn Jahre alte Zwei-Prozent-Ziel erfüllen – jetzt aber wirklich! Diese Marke ist obsolet, über sie ist die russische Invasionsarmee hinweggerollt. Deutschland wird deutlich darüber hinausgehen müssen.

Mindestens so wichtig ist allerdings, dass sich eine politische Erkenntnis durchsetzt. Sie sollte selbstverständlich sein, wird aber gerade in Deutschland immer wieder gerne verdrängt. Sicherheit gibt es nicht zum Spartarif.“ (Hubert Wetzel, SZ 4.11.22)

Eine Partei, die dem gar nicht gewachsen ist, ist die SPD. Sie hat Rolf Mützenich und Ralf Stegner, und ist deshalb für vernünftige Menschen gar nicht wählbar.