1460: Timothy Snyder: Vergleich mit den dreißiger Jahren

Der US-Historiker Timothy Snyder (47) ist mit seinen Büchern „Bloodlands“ (2010) und „Black Earth“ (2015) weltberühmt geworden. Sie wurden in 20 Sprachen übersetzt. Snyder ist Experte für den Holocaust und die Geschichte Ost- und Mitteleuropas. Er forscht und lehrt in Yale. Vor Donald Trump hat er sich nie zur aktuellen US-Politik geäußert. Matthias Kolb hat ihn für die SZ (7.2.17) interviewt.

SZ: Sie haben für das Online-Magazin „Slate“ einen Artikel geschrieben, der die politische Karriere von Donald Trump mit dem Aufstieg von Adolf Hitler vergleicht. Worauf wollen Sie damit hinaus?

Snyder: Ich habe in meinem Text keine Namen genannt, sondern kurz geschildert, wie Hitler an die Macht kam und viele Leser merkten: Das kommt mir bekannt vor. Es geht um einen Kandidaten, der die neuen Medien virtuos nutzt und dem Gefühle wichtiger sind als Fakten. Ich weiß, dass Hitler-Vergleiche in Deutschland tabu sind, deswegen ganz klar: ich wollte die beiden nicht gleichsetzen und nicht provozieren. …

Ich wollte meine Mitbürger daran erinnern, dass vor uns andere intelligente Menschen gescheitert sind. Wenn wir wissen, wieso die Deutschen in den Dreißigerjahren nicht verhindern konnten, dass eine Gesellschaft ihre Rechte verliert, können wir daraus Schlüsse ziehen.

SZ: Ist die Lage denn ähnlich?

Snyder: Nicht alles ist gleich. Die Lage der

US-Medien ist schlechter,

weil alles sehr konzentriert ist. In Deutschland gab es vor der Gleichschaltung eine viel größere Vielfalt unter den Zeitungen. Damals hatten die Leute längere Aufmerksamkeitsspannen. Im Vergleich zu Deutschland sind die USA ein riesiger Flächenstaat und es gibt zahlreiche Regionen mit erheblichem Wohlstand. Zudem ist die US-Volkswirtschaft stärker mit der Welt verbunden. Unser großer Vorteil ist aber, dass wir wissen, was in den Dreißigern passiert ist. Die Leute damals hatten kein warnendes Vorbild. …