Sigmar Gabriel (SPD) schlägt europäische Armee vor.

In einem Vortrag vor der Bundeswehrhochschule in Hamburg hat der SPD-Vorsitzende Gabriel einen sehr guten, langfristig angelegten Vorschlag gemacht. Er fordert zu Recht eine tiefere Integration der EU und dafür die Aufstellung einer europäischen Armee. Klaus Naumann, der Vorsitzende des NATO-Militärausschusses bis 1999, hat dies in der SZ (9.8.) kommentiert. Er stimmt Gabriel zu, wo dieser annimmt, dass eine europäische Armee Kosten sparen helfen würde und gegen die drohende Renationalisierung in der EU wirken könnte. Zwei sehr wichtige und richtige politische Ziele.

Naumann glaubt aber, dass die meisten Voraussetzungen für eine europäische Armee noch nicht gegeben sind. Zwar gäbe es eine vage Sicherheitsstrategie und militärische Zielsetzungen, deren Umsetzung sei aber gegenwärtig unmöglich. Von den in den ersten zwei Wochen des Libyenkrieges abgefeuerten 400 Marschflugkörpern stammten 380 aus den USA. Nun bettele Europa um Nachschub. Militärisch sei es ein „impotenter Zwerg“, der in den „unruhigen Zeiten“, die uns bevorstünden, erpressbar und abhängig bliebe. Europa gäbe ca. 60 Prozent des US-Budgets für Verteidigung aus, erreiche aber nur 20 Prozent der amerikanischen Fähigkeiten. Dies dürfe so nicht bleiben.

Was Naumann also verlangt, ist Aufrüstung. Dies dürfte bei unseren vielen pazifistischen Freunden von vornherein prinzipiell auf Ablehnung stoßen. Eine vorsichtige Loslösung der EU von der US-amerikanischen Außenpolitik hat eine solche Aufrüstung aber zur Voraussetzung. Die klassischen Militäraufgaben des Schutzes der Bürger und des Staatsgebietes sollten ohnehin bei der NATO bleiben.

Die EU braucht eine gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Die Handlungsunfähigkeit in den vielen aktuellen Krisen führt uns dies drastisch und schmerzlich vor Augen. Doch der politische Wille dazu fehlt. So müsste der in Deutschland bestehende Parlamentsvorbehalt einer Entwicklung zu einer europäischen Armee angepasst werden. Aber die Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf die EU gibt es anderswo ja auch. Wir brauchen mehr und nicht weniger Europa.

Welche militärischen Aufgaben wären es, die Europa gemeinsam und damit kostengünstiger wahrnehmen könnte? Naumann verweist auf die strategische und operative Aufklärung mit unbemannten Flugzeugen, Transporthubschrauber-Verbände, Fähigkeiten zur Überwachung großer Seegebiete aus der Luft in Verbindung mit Marineeingreifkräften zum Schutz gegen Piraten und Terroristen, Pionier- und ABC-Abwehrkräfte. Auch die Raketenabwehr und der Schutz gegen Cyberangriffe lasse sich nur gemeinsam bewerkstelligen, allerdings in der NATO. Alles Gemeinschaftsaufgaben. Dadurch könnten laut Naumann der Industrie Anstöße für eine neue atlantische und europäische Rüstungskooperation gegeben werden. Sehr gute und vernünftige Überlegungen zur Außen- und Sicherheitspolitik aus der SPD-Spitze. Das haben wir ja schon häufiger erlebt.

Aber macht die Parteibasis und machen die Deutschen dabei auch mit? Das ist kaum zu erwarten. Die aktuelle und nicht überzeugende Libyenpolitik der schwarz-gelben Bundesregierung verweist auf die permanenten Schwierigkeiten dabei. In der Bevölkerung dürfte es bei einem pazifistischen Grundlamento bleiben und bei der Verwunderung darüber, dass im Westen nur die USA militärisch handlungsfähig sind. Das ist insbesondere dann nicht sehr überzeugend, wenn wir die US-Außenpolitik nicht schlüssig finden. Immerhin hat die EU-Beauftragte für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, ein neues militärisch-ziviles Hauptquartier der EU vorgeschlagen.