242: Nachrichten-Journalismus der Zukunft – „hyperlokale“ Geschichten von anderen Kontinenten ?

Es ist kein Geheimnis, dass die Publikumszeitschriften (Illustrierte, Frauenzeitschriften, Programmzeitschriften, Jugendzeitschriften usw.) sich über die Jahrzehnte immer mehr zu Konsumkatalogen entwickelt haben. Ihr Internet-Auftritt gleicht dem eines Online-Warenhauses. Und der Kauf von Produkten aus dem Heft läuft auch über die Zeitschriften-Websites oder Smartphone-Apps der Blätter. Der Marsch in den Konsumismus geht weiter. Aber die Kundinnen und Kunden wollen es so. Da ist wenig zu machen. Zugleich steht fest, dass von dieser Yellow Press kein ordentlicher Journalismus erwartet werden kann. Das besorgt uns so lange nicht, als auf der anderen Seite, auch im Netz, journalistische Spezialangebote vorhanden sind, die sich an Menschenrechten orientieren, ökologisch agieren und Initiativen der vielen sozialen Bewegungen aufnehmen und kritisch verarbeiten. Und die vor allem eines gewährleisten: Recherche, Recherche, Recherche!

Am ehesten ist dies im Nachrichtenjournalismus zu erreichen. Denken wir. Aber da täuschen wir uns manchmal schon. Das zeigt uns an einem Beispiel  Michael Moorstedt (SZ 24.8.12). Er berichtet vom „Hyperlocal“-Journalismus in den USA. Dort wird der Kostendruck im Journalismus zuerst ernst genommen und führt zu Neuerungen im Journalismus, die uns manchmal erschrecken. Und ich frage mich, ob nicht die Ahnungslosigkeit mancher Menschen und ihr religiöser Fundamentalismus auch auf einen verwahrlosten und verluderten Journalismus zurückzuführen sind.

Moorstedt berichtet, dass „Chad King“ vielfach als Lokalreporter aus dem Großraum Houston (Texas) Nachrichten brachte, „Hyperlocal News“, die gerade im Ruf der Authentizität standen. 350 solcher Geschichten schrieb „King“ seit Herbst 2010 für die Lokalseiten des Webangebots des „Houston Chronicle“. Tatsächlich kamen diese Informationen vom Nachrichtendienstleister „Journatic“. Er liefert die „ausgelagerten“ Lokal-Nachrichten für mehrere Zeitungen und ihre Online-Angebote.

Geschrieben wurden sie nicht etwa in Houston, sondern stammten von 140 Angestellten auf den Philippinen. „Sie durchforsteten Polizeiberichte, Amtsblätter, Sporttabellen, Pressemitteilungen oder Studienergebnisse und zimmerten daraus grobe Texte, die dann von Muttersprachlern aufbereitet und unter falschem Namen – für Preise zwischen zwei und zwölf Dollar – an die Redaktionen geliefert wurden. Darüber hinaus wurden fremde Artikel plagiiert und Zitate auch schon mal erfunden, …“

Die freiberuflich aus Asien schreibenden Kollegen unterboten sich bei den Honoraren.

Ein Skandal.

Er liegt auf der Linie dessen, wo wir heute manchmal ausschließlich mit PR-Angeboten nachrichtlich versorgt werden. Das verhunzt die Informationen und gefährdet die Demokratie. Aber ganz so weit wie in den USA sind wir da in Deutschland, Österreich und in Westeuropa wohl noch nicht.