Der Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, klärt in seinem Gastbeitrag unter „Außenansicht“ in der „Süddeutschen Zeitung“, ob und wie die Menschenrechte gegegebenenfalls auch mit militärischen Mitteln geschützt werden dürfen. Seine Position ist, ohne dass dies extra gesagt wird, abgegrenzt von einer pazifistischen und einer nationalistischen Position. Und die „Außenansicht“ erweist sich wieder einmal als ein publizistischer Platz, an dem weiterführende und manchmal noch nicht allgemein akzeptierte Thesen geäußert werden können.
Ischinger nennt vier Kriterien für Bundeswehreinsätze:
1. Erforderlich ist ein Mandat, das den Einsatz rechtlich-politisch legitimiert.
2. Der Einsatz soll aus der Region, in der der Einsatz stattfindet, unterstützt werden.
3. Es muss ein klares Ziel des Einsatzes formuliert werden, das auch tatsächlich erreichbar ist.
4. Der Einsatz muss aus deutschen und europäischen Interessen zu begründen sein.
Wolfgang Ischinger zitiert Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière mit dem Satz, den dieser bei der Begründung seiner verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) formuliert hat: „Wohlstand erfordert Verantwortung.“ Diese Idee gälte besonders für den schwierigen Umgang mit der noch jungen Norm der globalen Schutzverantwortung (responsibility to protect). Diese Norm erhebe den Schutz der Menschen zur obersten Aufgabe staatlichen Handelns. Zeige sich die politische Führung eines Staates nicht fähig oder willens, ihre Bürger vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen, oder begehe sie diese Verbrechen gar selbst, gehe die Verantwortung für den Schutz der Bevölkerung auf die internationale Staatengemeinschaft über. Im äußersten Fall dürften dafür auch militärische Mittel angewendet werden. Der erste Anwendungsfall sei die Intervention in Libyen.
Zu 1. In der Regel müsse eine Autorisierung durch den UN-Sicherheitsrat vorliegen. Im Ausnahmefall, wenn etwa China oder Russland von ihrem Vetorecht Gebrauch machten, ein Eingreifen aber unausweichlich erscheine, sei der Einsatz auch ohne diese Autorisierung denkbar. Die Kosovo-Intervention von 1999 habe für diesen Notfall ein dramatisches Beispiel geliefert.
Zu 2. Unbedingt erforderlich sei auch die Einbindung oder Zustimmung der betreffenden Region. So wäre es ohne die Entscheidung der Arabischen Liga, die Einrichtung eines Flugverbotszone über Libyen zu fordern, nicht zu einem entsprechenden Beschluss des UN-Sicherheitsrats gekommen.
Zu 3. Ein Einsatz sei nur zu rechtfertigen, wenn es dafür ein ganz klares Ziel gäbe, das auch tatsächlich erreichbar sei.
Zu 4. Jeder Einsatz müsse aus deutschen und europäischen Interessen zu rechtfertigen sein. Dazu zähle in jedem Fall die internationale Geltung der Menschenrechte. Die Kluft zwischen einer entsprechenden Rhetorik und dem politischen Handeln dürfe nur sehr klein sein.
Wolfgang Ischinger hat damit für mich überzeugend begründet, dass solch ein Konzept besser ist, als sich aus der internationalen und globalen Verantwortung zu stehlen. Die so häufig aus den entgegengesetzten Haltungen des Pazifismus einerseits und des Nationalismus andererseits empfohlene Politik der Nichteinmischung wird unserer internationalen Verantwortung angesichts einer zunehmend globalisierten Welt nicht gerecht. Pazifisten dürfen bekanntlich keine militärische Gewalt anwenden, sondern müssen ihre Ziele auf andere Art und Weise erreichen. Und Nationalisten betonen stets unsere Unzuständigkeit in internationalen Konflikten, möchten aber von den wirtschaftlichen Vorteilen der Globalisierung profitieren.