Namhafte internationale Referenten bestimmen den Geist auf dem in Freiburg stattfindenden wissenschaftlichen Symposium „Sportmedizin und Doping in Europa“. Das berichtet Thomas Kistner in der SZ vom 14.9.2011. Das Symposium ist Resultat jener Untersuchungskommission, die seit 2007 den Freiburger Dopingsumpf untersucht. Über viele Jahre hatten sich hier bundesdeutsche Spitzenathleten wie Jan Ulrich Hilfe geholt. Es ist kein Geheimnis, dass insbesondere die Ärzte Armin Klümper und Joseph Keul hier führend tätig waren. Die Untersuchungskommission unter Leitung ihrer Chefin Letizia Paoli will 2012 ihren Endbericht vorlegen.
Die meisten deutschen Sportmediziner sind übrigens in Freiburg nicht erschienen. Das kommentierte der Rektor der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Hans-Joachim Schiewer, mit den Worten: „Das entscheidet jeder für sich, es gibt keine Zwangsmaßnahmen.“ Allerdings musste Schiewer zu Beginn des Symposiums schon in einen „Abgrund“ schauen, mit welcher Chuzpe Athleten und Sportmediziner Gesundheitsrisiken hinnehmen und Regeln umgehen.
Die neue baden-württembergische Gesundheitsministerin Theresia Bauer (Grüne) hat angekündigt, die neue Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft Doping solle in Freiburg statt wie bisher geplant in Stuttgart errichtet werden. Das löst nicht überall Begeisterung aus, kommt mir allerdings schlüssig vor. Die von der Universität Freiburg eingesetzte Untersuchungskommission unter Leitung von Hans-Joachim Schäfer hatte 2008 einen Zwischenbericht vorgelegt, nach dem die beiden an der Universitätsklinik beschäftigten Radsportärzte Andreas Schmidt und Lothar Heinrich die Hauptschuldigen waren. Sie wurden suspendiert. Sind sie nur als Sündeböcke benutzt worden, um das „Umfeld“ der Freiburger Universitätsklinik einschließlich der mit ihr verbundenen Sponsoren zu decken?
Auch die große Kommission unter Leitung der in Belgien über die Mafia und organisierte Kriminalität lehrenden Strafrechtlerin Paoli stößt auf Widerstand. Die Kommission soll die Freiburger Sportmedizin seit den siebziger Jahren erforschen. Teilweise verwehren Rechtsgutachten den Zugriff auf die Akten der Schäfer-Kommission. Der Nachfolger des 2000 gestorbenen Joseph Keul, Hans-Hermann Dickhuth, ist in eine Plagiatsaffäre verwickelt, die nach Aussage des Rektors „bis Ende des Jahres“ abgehandelt werden soll. Keine guten Voraussetzungen für eine lückenlose Aufklärung.
Insofern gilt es schon als Erfolg der an Aufklärung interessierten Kräfte wie Hans-Werner Franke und Wolfgang Jelkmann, dass das Symposium überhaupt stattfindet. Der Gründungs-Chef der Welt-Antidoping-Agentur Wada Richard Pound, einst Kandidat auf ein Spitzenamt im IOC, rügt die finanzielle Zurückhaltung der Sportverbände. Die Regierungen wollten ihre Wada-Beiträge gar kürzen. Der 2004 in Kraft getretene Wada-Kodex ist noch kein Mal auf seine Einhaltung geprüft worden. Dabei regelt der Kodex Sanktionen gegen Sportverbände. Pound: „Oder glauben Sie im Ernst, das IOC würde ein Land wie Deutschland von den Olympischen Sommerspielen in London rauswerfen?“