235: Olympia-Bilanz für London, Großbritannien, Deutschland und die Olympischen Spiele, Versagen vieler Kampfgerichte

Gegen Ende der Olympischen Spiele gab es im Boxen im Superschwergewicht nochmals ein schweres Fehlurteil (Gefälligkeitsurteil): Anthony Joshua (Großbritannien) wurde per Kampfrichterentscheid zum Sieger über Roberto Cammerelle (Italien) erklärt (vom Boxen verstehe ich etwas). Betrug! Der würde es uns ja erleichtern, uns über jeden Medaillenspiegel zu mokieren. Aber das wäre falsch. Denn die Ergebnisse bei Olympischen Spielen stehen doch für Erfolge oder Misserfolge im kulturellen Wettbewerb. Und es wird ja viel Geld für die Sportförderung ausgegeben. Das Bundesinnenministerium steckt jährlich 130 Millionen Euro hinein. Die Olympischen Spiele in London haben über neun Milliarden Euro gekostet. Ist das zu rechtfertigen?

Wir sollten uns darüber klar sein, dass manche Staaten (auch prozentual) noch viel mehr als Deutschland für die Sportförderung ausgeben: China, USA, Großbritannien etc. Das schlägt sich im Medaillenspiegel nieder. In London lagen in dieser Hinsicht vorne

1. die USA, 2. China, 3. Großbritannien, 4. Russland, 5. Südkorea, 6. Deutschland, 7. Frankreich, 8. Italien, 9. Ungarn, 10. Australien.

London hat uns Olympische Spiele versprochen und auch tatsächlich gebracht, die uns die Bankenmetropole als weltoffene Stadt und die Briten als fremdenfreundliche Gastgeber gezeigt haben. Gestützt auf den Medaillensegen für Großbritannien konnten wir die Spiele als offen, tolerant, locker, lässig, selbstkritisch und selbstbewusst erleben. Ein guter Schuss erträglichen Nationalismus kam dazu. Großbritannien, das von den Straßenschlachten bei den Jugendunruhen der Klassengesellschaft 2011 verunsichert war, konnte seine Weltoffenheit und seinen Patriotismus mit der olympischen Familie feiern.

Die deutsche Bilanz sieht besser aus, als manche Beobachter es wahrnehmen konnten. In Peking konnten wir 41 Medaillen gewinnen, in London 44. Allerdings nur elf (11) goldene (Peking: 16). Schauen wir uns die Medaillen seit Barcelona 1992 an:

Barcelona 1992: 33 goldene, 21 silberne, 28 bronzene,

Atlanta 1996: 20 goldene, 18 silberne, 27 bronzene,

Sydney 2000: 13 goldene, 17 silberne, 26 bronzene,

Athen 2004: 13 goldene, 16 silberne, 20 bronzene,

Peking 2008: 16 goldene, 10 silberne, 15 bronzene,

London 2012: 11 goldene, 19 silberne, 14 bronzene.

DOSB-Präsident Thomas Bach, Generalsekretär Michael Vesper und Leistungssport-Direktor Bernhard Schwank konnten „Erwartungen übertroffen“ vermelden. Die deutsche olympische Öffentlichkeit nahm es anders wahr. Geprägt vom Abschneiden der Schwimmer und vielen fragwürdigen Entscheidungen der Kampfgerichte. Deutschland glänzt durch Vielfalt auch in Nischensportarten. Es hat seine Medailen in zwölf (12) verschiedenen Sportarten gewonnen. Das hat nicht einmal China erreicht. Irritiert wurde die deutsche Öffentlichkeit von den in letzter Sekunde erst veröffentlichten „Zielvereinbarungen“ des Bundesinnenministeriums und des DOSB mit den Fachverbänden. Danach waren 86 Medaillen vereinbart, allein 28 goldene. Das ist nicht falsch. Schließlich werden Steuergelder ausgegeben. Und Zielvereinbarungen gibt es überall sonst auch. Etwa in den Wissenschaften. Zu respektieren ist das zentrale Gegenargument, wonach wir nicht bestimmen und steuern können, wie stark die Athleten anderer Staaten sind.

Die deutsche Leichtathletik hat sich besser geschlagen als erwartet. Mit acht (8) Medailen, in Peking war es nur eine (1).  Robert Harting gewann Gold. Ein erfolgreicher Zyklus 2009-2012 wurde in London gekrönt. Athleten wie Rafael Holzdeppe, David Storl und Linda Stahl glänzten. Da sehen wir über den Marathonlauf und den Dreisprung der Männer weg. Und vergessen wir nicht, dass auch die vorher so hoch gehandelten kenianischen Läufer nicht alle Ziele erreicht haben. Dopinggerüchte hin, Dopinggerüchte her.

Natürlich bedarf es noch der strukturellen Einzelanalysen. Der deutsche Sport darf auch potentielle Missbrauchsopfer nicht übergehen, die negativen Auswirkungen der Ganztagsschule auf den Sport und den Leistungssport. Wir wissen auch, dass Thomas Bach IOC-Präsident werden will. Dafür darf er kandidieren. In der olympischen Bewegung tut er es auf einem Feld, wo tatsächlich noch die Jugend der Welt im Wettkampf zusammengeführt wird.

Bleibt nur der schale Nachgeschmack der viel zu vielen Fehlurteile der Kampfgerichte. Waren es mehr als früher? Oder berichten die Massenmedien heute darüber offener?

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