Archive for the ‘Medien’ Category

4609: Aiwanger-Beschwerde zurückgewiesen

Mittwoch, Dezember 6th, 2023

Die Beschwerde des bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger (Freie Wähler) beim Deutschen Presserat über die Berichterstattung der „Süddeutschen Zeitung“ in der Flugblatt-Affäre ist neben 17 anderen Beschwerden zurückgewiesen worden. Die Berichterstattung sei inhaltlich und presseethisch nicht zu beanstanden. An der Aiwanger-Verdachtsberichterstattung habe ein erhebliches öffentliches Interesse bestanden. „Die Vorwürfe standen in eklatantem Widerspruch zu Aiwangers Ämtern als Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident Bayerns.“ Die Vorwürfe seien so gravierend gewesen, dass darüber berichtet werden durfte, ohne dass Aiwangers Persönlichkeitsschutz verletzt worden wäre.

Die journalistische Sorgfaltspflicht sei nicht verletzt worden. Auch habe Aiwanger genügend Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt. Eine Vorverurteilung habe es nicht gegeben. Von „Kampagnenjournalismus“ könne keine Rede sein. Die einschlägigen Beiträge waren in der SZ zwischen dem 25. und 28. August 2023 erschienen (SZ 6.12.23).

4607: Vodafone-Chef kritisiert Telekom.

Dienstag, Dezember 5th, 2023

Der Vodafone-Chef Philipp Rogge kritisiert die Deutsche Telekom. Sie zwinge Vodafone zu sinnloser Baggerei, da sie kontrolliere, wer Leerrohre unter den Straßen nutzen dürfe, die „vor vielen Jahren an zahlreichen Orten auch von der Bundespost verlegt worden“ seien. Wollten andere Konzerne Kabel in die Rohre legen, müssten sie „beträchtliche“ Gebühren zahlen (SZ 5.12.23).

4605: Kann Friedrich Merz es schaffen ?

Sonntag, Dezember 3rd, 2023

Die Ampel ist unbeliebt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auch. Der Haushaltsstreit ist noch nicht ausgestanden. Die Union liegt durchgängig bei 30 Prozent. Sogar der Ruf nach Neuwahlen wird lauter. Die FDP führt ein Mitgliederbegehren  durch mit dem Ziel, aus der Ampel auszuscheiden. Reicht das? Die Ampel muss fertigwerden mit der gescheiterten Merkelpolitik (Russland, Bundeswehr, Kampf gegen den Klimawandel und anderem). Insofern stünden die Chancen für Friedrich Merz gut. Aber er macht noch zu viele Fehler. Und die FDP mag ihn nicht, weil er ein glaubwürdiger Marktliberaler ist. Impulskontrolle ist nicht sein Stärke. Teamwork auch nicht. Und er ist zu dünnhäutig.

Womit wir bei der Union auch immer rechnen müssen, ist die Tatsache, dass es dort stets sehr viele Neidhammel gibt. Auch wenn die Angelegenheit mit einem Kanzlerkandidaten von der CSU wohl erledigt ist. Zweimal, bei Franz-Josef Strauß und Edmund Stoiber, hat das nicht geklappt. Und Markus Söder hat durch sein übles Taktieren 2022 eine Wahlsieg der Union verhindert. Das Wahlergebnis in Bayern ist auch nicht berückend. Dazu kommt, dass Friedrich Merz bei aller Wirtschaftskompetenz und rhetorischen Klasse bei den Leitmedien unbeliebt ist. Warum auch immer. Am Horizont ist schon Hendrik Wüst zu sehen (Robert Roßmann, SZ 2./3.12.23).

4604: Die Generalsekretärin von PEN-International ist zurückgetreten.

Samstag, Dezember 2nd, 2023

Die Generalsekretärin von PEN International ist wegen Verlautbarungen ihrer Zentrale und der Gleichgültigkeit von Menschenrechtsorganisationen, Frauenorganisationen und der Welt der Kunst und Literatur gegenüber den israelischen Opfern des Hamas-Massakers vom 7. Oktober 2023 zurückgetreten. Es ist die Hamburger Schriftstellerin Regula Venske. Sie stimmt überein mit dem israelischen PEN. Damit erklärte sich auch PEN Berlin solidarisch. Die Welt der Kunst zerfällt in zwei Lager (Felix Stephan, SZ 21.11.23).

4603: Deborah Feldman ist unorthodox und passt in kein Schema.

Samstag, Dezember 2nd, 2023

Seit ihrem Buch „Unorthodox“ über ihre Flucht aus der orthodoxen Satmarer-Sekte in New York ist Deborah Feldman ein literarischer Star. Seit zehn Jahren lebt sie in Berlin. Nun ist ihr neues Werk „Judenfetisch“ erschienen. Sie ist gefragter denn je. Ich führe hier Äußerungen von ihr auf, die sie in einem Interview mit Sonja Zekri (SZ, 21.11.23) gemacht hat:

„Meine Großeltern waren Deutsche, wurden verhaftet, mussten fliehen.“

„.. ich bin genau so berechtigt, mich als deutsche Jüdin zu Wort zu melden. Ich habe die Staatsbürgerschaft meines Urgroßvaters bekommen, ich habe hier meine Wurzeln, ich fühle mich zugehörig. Und das lasse ich mir auch nicht absprechen.“

„Die gesamte Debatte über den muslimischen Antisemitismus dient den Rechten dazu, sich vom Antisemitismus zu entlasten.“

„Solidarität mit Israel ist eine gute Lehre aus dem Holocaust, ich will das nicht anzweifeln. Seit Konrad Adenauer führt Deutschlands Weg zur Wiedergutmachung an die Seite Israels. Deutschland investiert in den Erfolg Israels und befreit sich dadurch aus seiner Verantwortung aus der Geschichte.“

„Dieses Land hat sich sehr früh darauf festgelegt, dass in der bedingungslosen Solidarität zu Israel die Erlösung liegt, vom Antisemitismus, vom Rassismus, von gesamten Hass in der Gesellschaft.“

„Es gibt schon lange eine Bewunderung der europäischen Rechten für das rechtsnationale Israel.“

„Es besteht eine Gefahr für Muslime und dann für Juden. Und das macht mir existentielle Angst als Enkelin eines Großvaters, der 1939 von der Gestapo verhaftet und zur polnischen Grenze gebracht wurde, zu Fuß zurücklief, um Frau und Kinder zu holen und gleich zu fliehen.“

„Der 7. Oktober hat mich näher an die Friedensaktivisten gebracht, an die weltoffenen Israelis und Palästinenser. Er hat mich nicht dem gesamten Judentum näher gebracht. Ich fühle mich doch nicht den rechtsextremen Siedlern in der Westbank nahe, die jetzt Jagd auf Palästinenser machen. Ich fühle mit allen Opfern und ihren Angehörigen. Das Wir, das angegriffen wurde, ist der Frieden, die Menschenrechte, der Humanismus. Für die ich mein Leben lang gekämpft habe.“

„Es gibt viele Stimmen in Israel, die diese Gewalt klar für exzessiv und unverhältnismäßig halten. Der Entzug von Wasser ist völkerrechtswidrig. Die Vertreibung ist völkerrechtswidrig. Die Inkaufnahme ziviler Opfer ist völkerrechtswidrig.“

„Mein eigener Lösungsansatz lautet wie der von vielen Menschen in Israel und in der Diaspora: Lasst uns diese Stimmen lauter machen, die nicht von ‚tilgen‘ reden. Sie sind die einzigen, die eine Lösung herbeiführen können.“

„Primo Levi, Jean Améry und Czeslaw Milosz wollten nur eines vermitteln: Entweder du bist für alle, und alle Menschen sind gleichwertig, denn nur so entgehen wir der Gefahr, dass wir ein neues Opfer aussuchen. Oder du sagst, mir ist etwas Schlimmes passiert, also darf ich wegschauen, wenn anderen etwas Schlimmes passiert. Mehr Möglichkeiten gibt es nicht.“

4601: In Russland ist LGBTQI verboten.

Freitag, Dezember 1st, 2023

Der Oberste Russische Gerichtshof hat LGBTQI als „extremistisch“ eingestuft und verboten. Das ist ein typisches Beispiel für die politische Rückständigkeit Russlands insbesondere in Bezug auf die Menschen- und Bürgerrechte. Bisher schon waren queere Personen dort großen Repressalien ausgesetzt. Das nimmt nun noch zu. Die Betreffenden sollen mundtot gemacht werden. Ein Regime, das so brutal gegen Minderheiten vorgeht, schreckt auch vor anderen Grausamkeiten nicht zurück (SZ 1.12.23).

4599: Adania Shibli verliert gegen die „taz“.

Dienstag, November 28th, 2023

Die palästinensische Schriftstellerin (mit israelischem Pass) Adania Shibli hat einen Preis auf der Frankfurter Buchmesse für ihren Roman „Eine Nebensache“ doch nicht bekommen. In der „taz“ war vorher ein für sie sehr kritischer Artikel erschienen. Darin wurde sie u.a. als „engagierte BDS-Aktivistin“ bezeichnet. Nach einer Klage von Shibli hat das Landgericht Hamburg beide Äußerungen als vom Recht auf freie Meinungsäüßerung gedeckt bezeichnet. In dem Satz „In diesem Kurzroman sind alle Israelis anonyme Vergewaltiger und Killer, die Palästinenser hingegen Opfer“ werde laut Hamburger Gericht vom Durchschnittsleser als „zuspitzende Wertung des Inhalts des Buches“ betrachtet. Diese Annahme ist möglicherweise gewagt (Felix Stephan, SZ 28.11.23).

Shibli hatte außerdem vor 16 Jahren einen offenen Brief des BDS unterschrieben. Wenn das genügt, um sich gerichtsfest als BDS-Aktivistin bezeichnen lassen zu müssen, dann wären davon auch die anderen Unterzeichner

Michael Ondaatje, Arundhati Roy, Angela Davies, A.L. Kennedy und der Literaturnobelpreisträger J.M Coetzee u.a.

betroffen. Damit wären sie vom deutschen Kulturbetrieb weithin ausgeschlossen. Tatsächlich haben der Deutsche Bundestag, die „taz“ und das Hamburger Landgericht solche Äußerungen als sanktionswürdigen Antisemitismus wahrgenommen. Ein Votum für die Meinungsäußerungsfreiheit.

4597: Große Kunst bleibt wichtig.

Sonntag, November 26th, 2023

Man könnte den Eindruck gewinnen, dass in der Kunst die Maßstäbe verschwinden. Die Findungskommission der Documenta und ein Kurator der Fotografie-Biennale sind zurückgetreten. „Offensichtlich unterschätzen manche Kuratoren und Künstlerinnen den islamistischen Terror der Hamas und seine Folgen.“ (Kia Vahland, SZ 24.11.23) Es reicht nicht, den kritischen Fokus bei diesen Betrachtungen nur auf Westeuropa und seinen Kolonialismus zu richten. Die imperialistische Macht der Gegenwart ist Russland. Und was werden die widerständigen Schülerinnen aus Teheran wohl über den islamistischen Fundamentalimus denken? Die Künstler und Kuratorinnen sollten ihre Aufmerksamkeit auf die

Bildpolitik im Gazakrieg

richten. „Die Hamas nimmt das entsetzliche Leid der Palästinenserinnen und Palästinenser, ihre Ohnmacht und ihr Sterben nicht nur in Kauf, sie braucht und will genau diese unerträglichen Bilder, so wie sie zu Anfang des Krieges auch genau die unerträglichen Bilder vom Überfall auf Israel wollte und nutzte.“ Und in Europa können wir nur mit Rücktritten die Kunst nicht retten. Das würde wieder den Rechtspopulisten in die Hände spielen, die nur zu gerne die Kunstszene abwickeln würden. Das Verdienst der Kunst ist es, eine Vielzahl an Perspektiven, Fantasien und Erfahrungen zu zeigen. Große Kunst ist dem Humanismus verpflichtet.

4596: Peter Schäfer „Kurze Geschichte des Antisemitismus“

Samstag, November 25th, 2023

Peter Schäfer zeigt, dass Antisemitismus zu den Fundamenten der christlich-anemdländischen Kultur gehört. Die Trennung zwischen rassistischem Antisemitismus und christlichem Antijudaismus ist nicht voll berechtigt. Schon bei den Griechen und Römern gab es zentrale Motive der Judenfeindschaft. In den Bekenntnissen des heiligen Paulus wurde das verschärft. Jetzt wurden den Juden bestimmte Charaktereigenschaften zugeschrieben, etwa die Rachsucht. Bis heute (Gustav Seibt, SZ 25./26.11.23).

4593: Gewaltkriminalität ist gestiegen.

Freitag, November 24th, 2023

Laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS), welche die Zahl der angezeigten Straftaten angibt,  ist im ersten Halbjahr 2023 die Gewaltkriminalität (Mord, Totschlag, schwere Körperverletzung, leichte Körperverletzung) stark gestiegen, nachdem sie lange stagniert hatte. Um 17 Prozent. Der Zuwachs ist vor allem im öffentlichen Raum (Straßen, Plätze) vorhanden, weniger im privaten Feld. Das hängt wohl damit zusammen, dass die Menschen nach der Pandemie wieder stärker unterwegs sind. In einer Zeit wirtschaftlicher Verunsicherung und des Verlusts an Vertrauen in den Rechtsstaat sind Beschwichtigungen unangebracht. Es sind wohl vor allem Jugendliche, die für den Zuwachs verantwortlich sind. Gerade ausländische. Hohe Flüchtlingszahlen erhöhen anscheinend die Wahrscheinlichkeit, dass mehr Zuwanderer sich strafbar machen. Alle, die angesichts der Wirtschaftskrise nun am Sozialen sparen wollen, sollten sich das klarmachen (Constanze von Bullion, SZ 24.11.23).