3972: Muss Deutschland seine Sonderrolle in der Außenpolitik aufgeben ?

Wieder einmal melden sich Hedwig Richter und Bernd Ulrich (Die Zeit 4.8.22) mit einem grundsätzlichen Beitrag zur deutschen Geschichtsbetrachtung zu Wort. Sie gelten als konservativ. Aber was, wenn sie Argumente nur anders als andere so gewichten, dass sie die Historiograhie besser machen? Anlass ist hauptsächlich der russische Vernichtungskrieg gegen die Ukraine. Es ist leicht zu verstehen, dass unser Verhältnis zu Russland und zur Ukraine angesichts von 24 Millionen Kriegstoten im Zweiten Weltkrieg dort ein besonderes ist. Bei Licht betrachtet ist der deutsche Angriff auf Polen 1939 nur ein Produkt des Hitler-Stalin-Pakts, der verbrecherischen Aufteilung Polens unter beiden Besatzerstaaten.

Die daraus abgeleitete deutsche Sonderrolle in der internationalen Politik kam und kommt zum Ausdruck darin, dass wir weniger als andere an internationalen Militäreinsätzen beteiligt waren. Wir haben das billige Gas sozusagen als Kompensation für die Kriegslasten gesehen. In Deutschland haben viele ein zwiespältiges Verhältnis zur Staatsmacht. Bei Volkszählungen, gegen Steuern, gegen die Bundeswehr, gegen ein Tempolimit, gegen Windräder, im Misstrauen gegen Anti-Corona-Maßnahmen, etc.

Seit Ende des kalten Krieges war gar nicht mehr die Sowjetunion unser Hautgegner, sondern kleinere Staaten wie Serbien u.a. Wir tun uns nach wie vor damit schwer, Waffen in Kriegsgebiete zu liefern. Der ukrainische Präsident Selenskyi im Deutschen Bundestag: „Ich wende mich an Sie im Namen aller, die hörten, wie Politiker jedes Jahr beteuern: ‚Nie wieder!‘ Und die gesehen haben, dass diese Worte nichts wert sind. Denn abermals versucht man in Europa, ein ganzes Volk zu vernichten.“ In Deutschland verstehen wir häufig: „Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft.“ Wie die deutsche Erinnerungspolitik eingesetzt wird, ist eine ziemliche Heuchelei. Das muss sich ändern!