3726: SPD und Russland

Nils Minkmar ist einer der herausragenden politischen Journalisten in Deutschland. In einem Essay (SZ 24.1.22) analysiert er das Verhältnis der SPD zum Kommunismus und zu Russland:

Wesentlich hat Deutschland seine Vereinigung 1990 dem sowjetischen Parteichef Michail Gorbatschow zu verdanken, der den kalten Krieg beendete und der Aufnahme der DDR in die NATO im Alleingang zustimmte. Das kostete ihn die Macht. Das „gemeinsame Haus Europa“ ist sein Begriff.

Das Verhältnis der SPD zu Kommunisten ist seit langem gekennzeichnet durch Feindschaft. Seit dem Brüsseler Parteitag der russischen Sozialdemokraten 1903 kann es daran keinen Zweifel geben. Dort setzten sich die Bolschewiki durch. Unter Lenin. Ab 1924 dann unter Stalin. Insofern sollten wir viel Verständnis aufbringen für die Politik der SPD. Auch 1918/19.

Ein Protagonist des schwierigen Verhältnisses ist der Alt-Kommunist Herbert Wehner. Er lebte von 1937 bis 1941 im Hotel Lux in Moskau, dem Zentrum des internationalen Stalinismus. Deswegen konnte er sich Zeit seines Lebens nicht von dem Verdacht befreien, insgeheim Moskaus Interessen zu vertreten. Auch nicht im Kampf mit Willy Brandt („Der Mann badet gerne lau.“) In den Vordergrund trat das wieder, als klar wurde, dass Brandt von dem Stasi-Spitzel Günter Guillaume ausgespäht worden war. Dabei wird übersehen, dass Herbert Wehner der Vater des Godesberger Programms (1959/60) war, das es ermöglichte, dass die SPD auf dem Boden der sozialen Marktwirtschaft erfolgreiche Politik betreiben konnte.

Heute bestimmt Gerhard Schröder die Lage, zu dem Minkmar schreibt: „Auch wer sich nur noch darüber wundern kann, mit welcher törichten, ja, epischen Blindheit der frühere sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder geschlagen ist, wenn er in dem russischen Präsidenten einen rationalen und verlässlichen Freund und Partner sieht, …“ Schröders große politische Tat war die Nicht-Teilnahme Deutschlands am auf Lügen gegründeten und verbrecherischen Irak-Krieg der USA.

Der Historiker Timothy Snyder schrieb, dass Putin seine Macht einer Koalition aus Geheimdienst, organisiertem Verbrechen und dem Verkauf fossiler Energie verdanke. Ob das die meisten Sozis schon begriffen haben?