3549: „Gottbegnadete“ in der Bundesrepublik

Im Deutschen Historischen Museum in Berlin gibt es zur Liste der „Gottbegnadeten. Künstler des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik“ eine Ausstellung (bis 5.12.21). Die „Gottbegnadeten“ wurden im Kriegsjahr 1944 von Hitler und Goebbels benannt, damit sie vom Arbeits- und Kriegsdienst freigestellt werden konnten und so dem „Heldentod“ entgingen. Auf dieser Liste wurden 114 Bildhauer und Maler erfasst. Darunter

Werner Peiner, Hermann Gradl, Hermann Kaspar, Paul Mathias Padua, Wilhelm Gerstel, Paul Plontke und Georg Kolbe.

An der Spitze stand Arno Breker, der seit 1938 an der Berliner Kunsthochschule lehrte und mit zahlreichen Werken während des Dritten Reiches präsent war. So z.B. in der „Großen Deutschen Kunstausstellung (GDK) im „Haus der Deutschen Kunst“ in München. Er modellierte 1939 einen Kopf von Richard Wagner, der auf der GDK 1941 zu sehen war. Er gab dem Kunstgeschmack der NS-Elite symbolische Form. 1955 wurde der Wagner-Kopf neben der Villa Wahnfried in Bayreuth aufgestellt. In den siebziger Jahren bekam Breker weitere Porträtaufträge für Bayreuth. Für Winifred Wagner, die Freundin Adolf Hitlers, für Cosima Wagner, deren Porträt 1979 im Festspielpark aufgestellt wurde.

Die Nazi-Künstler durchliefen 1947/48 wie vorgeschrieben eine „Entnazifizierung“, fanden aber beim vermögenden Bürgertum und in Industriekreisen bald ein Käuferpublikum. Sie werden in der Ausstellung zu ihrem Selbstverständnis 1970 befragt. Zwei Gemälde von Paul Mathias Padua in einer Frankfurter Kunstausstellung 1974 waren der Anlass zu einer Befragung des Künstlers durch Marianne Koch, die gerade 90 geworden ist, in der Bremer Talkshow „3 nach 9“. Dieser Maler lebte u.a. von Porträtaufträgen von Franz Josef Strauß und den Komponisten Boris Blacher und Werner Egk.

Der Begriff „Künstler des Nationalsozialismus“ ist etwas unscharf. Er unterscheidet nicht zwischen den politisch im Sinne des Nationalsozialismus Arbeitenden und denjenigen, die nach 1933 ihre künstlerische Berufspraxis „nur“ fortführten. Wilhelm Gerstel hatte mit seinen Schülern Fritz Cremer, Gustav Seitz und Waldemar Grzimek solche, die sich mit ihren Werken als Bildhauer in die antifaschistische Linke hineinbewegten. Einen wirklichen „Neuanfang“ hat es nach 1945 in Deutschland nicht gegeben. Das hat die kürzlich eröffnete Ausstellung „Documenta. Politik und Kunst“ ebenfalls im Deutsche Historischen Museum gezeigt (Wolfgang Ruppert, taz 31.8.21).