3543: Karl Liebknecht 150

Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht sind für immer dadurch verbunden, dass sie Anfang 1919 von der Reichswehr ermordet wurden. Und zwar von der Garde-Kavallerie-Schützen-Division unter dem Hauptmann i.G. Waldemar Pabst (nach Rücksprache mit Gustav Noske, dem sozialdemokratischen Volksbeauftragten für Heer und Marine). Ein fürchterliches Verbrechen. Und wir fragen uns stets, ob mit Luxemburg und Liebknecht ein Weg des deutschen Kommunismus diesseits von Leninismus und Stalinismus (ab 1929) und Walter Ulbricht möglich gewesen wäre. Einiges spricht dafür, anderes lässt zweifeln. Leider wissen wir es nicht.

Karl Liebknecht gilt als Agitator. Er hatte am 9. November 1918 vor dem Berliner Schloß (heute: Humboldt-Forum) die sozialistische Republik verkündet. Er wird 150. Zur Jahreswende 1919 gehört er zu den Mitbegründern der KPD. Er ist vor allem Antimilitarist und ein Pfahl im Fleisch der SPD, die sich 1914 dem „Burgfrieden“ des Kaisers unterwirft und schließlich den Kriegskrediten zustimmt. Karl Liebknecht stimmt als einziger dagegen (2.12.1914). Damit beginnt die Spaltung der SPD.

Geboren wird Karl Liebknecht am 13. August 1871 in Leipzig als zweiter von fünf Söhnen des SPD-Mitbegründers Wilhelm Liebknecht. Er studiert Jura. Der Vater leitet den „Vorwärts“, der Sohn promoviert „magna cum laude“ und wird Sozius in der Kanzlei eines Bruders. Er heiratet die umschwärmte Julia Paradies. Liebknecht gilt als erfolgreicher Strafverteidiger. Er spricht bereits von der „Klassenjustiz“. Die SPD hat sich 1891 in Erfurt den Klassengegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat zu eigen gemacht. Seinerzeit gibt es noch das preußische Dreiklassenwahlrecht. Frauen dürfen ohnehin nicht wählen. Bei der Reichstagswahl 1912 gewinnt Karl Liebknecht zum ersten Mal den Wahlkreis Potsdam – Spandau – Osthavelland. 1907 hatte er für die Jugendarbeit der SPD die Schrift „Militarismus und Antimilitarismus“ verfasst. Das ist glasklarer Pazifismus. „Die Kolonialarmee, die sich vielfach aus dem Abhub der europäischen Bevölkerung zusammensetzt, ist das bestialischste und abscheulichste aller Werkzeuge unserer kapitalistischen Staaten.“

Karl Liebknecht ist kein Illusionist: „Das Proletariat ist in seiner überwiegenden Mehrheit noch nicht klassenbewusst, auch nicht sozialdemokratisch aufgeklärt, geschweige denn in jedem Fall für jene antipatriotische Aktion zu haben, die ebensoviel Opferwilligkeit und kalten Mut wie Besonnenheit im Strudel der leidenschaftlichsten chauvinistischen Brandung heischt.“ Für seine Aussage, dass die Soldaten nicht bei der Fahne bleiben würden, wenn sie zu denken anfingen, muss er ins Gefängnis. Dort kann er sich frei bewegen und nutzt die anderthalb Jahre zur Weiterbildung. Dann tritt eine zweite Frau in sein Leben, die er nach dem Tod seiner Frau 1912 heiratet, Sophie Ryss.

1910 hat Karl Liebknecht die USA bereist, von denen er wie sein Vater recht angetan ist. Am 28. Juni 1914 fallen die Schüsse von Sarajevo. Der Erste Weltkrieg beginnt. Der Kaiser kennt „keine Parteien und auch keine Konfessionen mehr, (…) nur noch deutsche Brüder“. Am 2. Dezember stimmt Karl Liebknecht im Reichstag als einziger gegen die Kriegskredite. Er proklamiert: „Der Hauptfeind jedes Volkes steht in seinem eigenen Land.“ Er bezieht die Massaker an den Armeniern im verbündeten Osmanischen Reich ein. 1916 spaltet sich die SPD in MSPD und USPD.

Liebknecht wird 1915 einberufen und erlebt die ganzen Demütigungen und Misshandlungen des Militärdienstes am eigene Leibe mit. 1916 wird er aus der SPD ausgeschlossen. Wegen seiner permanenten Agitationen wird er zu vier Jahren und einem Monat Zuchthaus verurteilt. Am 3. November 1918 hat mit dem Kieler Matrosenaufstand die Novemberrevolution begonnen. Friedrich Ebert hasst sie „wie die Pest“. Die SPD-Führung schließt ein Bündnis mit der Obersten Heeresleitung. Es führt zur Ermordung Luxemburgs und Liebknechts. Der Spartakusaufstand vom 5. bis 12. Januar 1919 scheitert mangels Massenbasis. So scheitert auch Karl Liebknecht. Er hat Humanismus gewollt (Christoph Dieckmann, Die Zeit 22.7.21).

Vertiefend: Klaus Gietinger (Hrsg.): Karl Liebknecht oder Nieder mit dem Krieg, nieder mit der Regierung! Berlin (Dietz) 2001, 200 S. 12,00 Euro.