3252: Fehler der Heilpraktiker

Wer Heilpraktiker werden will, muss einen Hauptschulabschluss haben und mindestens 25 Jahre alt sein. Sodann muss er einen Multiple-Choice-Test absolvieren. Darin befragt ihn der Amtsarzt nach Grundkenntnissen der Anatomie und Pathologie, es geht zudem um Berufs- und Gesetzeskunde. Insgesamt also eine Überprüfung, die zeigt, dass Heilpraktiker keine Ärzte sind. Das unterstreicht Dr. Jutta Hübner, Onkologin von der Universitätsklinik Jena. Sie ist zusätzlich qualifiziert in Naturheilkunde und Akupunktur und Expertin für alternative und ergänzende Heilverfahren. Im Heilpraktikergesetz von 1939 ist festgehalten, dass von der Tätigkeit von Heilpraktikern „keine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung“ ausgehen darf. Viele Ärzte sehen es allerdings so, dass mannigfache Probleme vom Heilpraktikerwesen ausgehen.

Die Nachfrage nach Heilpraktikern erklärt sich nicht zuletzt daraus, dass unser Medizinsystem, insbesondere in den letzten Jahren, einer ökonomischen Rationalisierung unterzogen worden ist, die keine ausführlichen Gespräche der Mediziner mit den Patienten mehr erlaubt. Diese Zeit nehmen sich die Heilpraktiker. Das Medizinsystem investiert in Geräte und teure Medikamente. Es bewegt sich anscheinend auf einem hohen technisch-wissenschaftlichen Niveau, genießt hohes Ansehen und demonstriert aufwendige Therapien.

Heilpraktiker dagegen wenden Methoden wie die Irisdiagnostik an. Dahinter steht die Überzeugung, dass sich an bestimmten Zonen der Iris Befunde über einzelne Organe ablesen ließen. Nach ärztlicher Überzeugung ist die Methode nicht besser als Kaffeesatzlesen. Der Direktor des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, Dr. Jürgen Windeler, sagt zur Studienlage bei der Irisdiagnostik: „Man hat verschiedenen Iris-Diagnostikern dasselbe Foto gezeigt, sie kamen jedoch zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen.“

Die Verzweiflung vieler Krebspatienten und ihrer Angehörigen treibt sie zu abwegigen Therapien. Das ist völlig verständlich. Hilft allerdings nichts. Viele Behandlungsfehler fallen dabei noch nicht einmal auf. Nach dem Tod vieler Menschen wird die Verantwortung meistens nicht beim Heilpraktiker gesucht. Das Bundesgesundheitsministerium hat 2019 ein Rechtsgutaschten in Auftrag gegeben, das eine Neuregelung des Heilpraktikerberufs prüfen soll, damit nicht so viele schwere Fehler auftreten. Die Heilpraktiker und ihre Verbände fürchten ein Verbot des Berufs. Das ist rechtlich wahrscheinlich kompliziert. In den letzten 75 Jahren sind schon mehrere solcher Versuche angestellt worden.

Durchgegriffen hat die Politik nie (Claudia Ruby, SZ 23./24.1.21).