3228: Fatih Akin lobt die klassischen Medien.

Fatih Akin ist einer der am höchsten ausgezeichneten deutschen Filmregisseure. 2004 erhielt er für „Gegen die Wand“ den Goldenen Bären der Berliner Filmfestspiele, 2017 den Golden Globe für „Aus dem Nichts“. Nun hat er einen Werbefilm für die „taz“ (taz.de/keine angst) gedreht. Deswegen hat Lena Kaiser ihn interviewt (taz, 9./10.1.21).

taz: Fatih, du hast deinen ersten Werbefilm überhaupt für die taz gemacht. Aus welcher Überzeugung heraus?

Akin: Ich lese mich gerade durch das Werk von Jaron Lanier und war erschrocken, wie wenig Leute ihre Informationen noch aus den klassischen Medien, also geprüften Organen wie Zeitungen beziehen. Immer mehr Leute nutzen soziale Medien, in denen die Algorithmen getrimmt sind. So entstehen Blasen. Wenn du googelst, die Erde ist flach, und dir das ein paar mal reinziehst, gibt dein Computer dir mehr davon. So wird Wahrheit etwas Individuelles. Das widerspricht meiner Überzeugung, und ich wollte aktiv etwas gegen diese Entwicklung tun. So kam mir die Idee zu dem Werbespot.

taz: Inwiefern haben sich die Macht der Bilder und die Mittel der Manipulation bis heute weiterentwickelt?

Akin: Die Macht der Bilder war immer groß. Was sich verändert hat, ist, dass man die Bilder sofort mit der ganzen Welt teilen kann. Im Fall von George Floyd ist das natürlich positiv – eine Straftat wird augenblicklich bezeugt und dient der ganzen Welt als Beweis. Es kann aber genau so gut in einem anderen Fall negativ sein. Außerdem lassen sich Bilder heute viel leichter manipulieren. Mit einer Morphing-App kann man Gesichter auf Bildern tauschen, und das wird technisch immer besser, so dass man es nicht mehr erkennen kann. Das überfordert uns auf jeden Fall.

taz: Auch die gedruckten Zeitungen sind in Bedrängnis geraten, weil es immer weniger Leser*innen gibt und das Vertriebssystem an seine Grenzen stößt. Siehst du da Parallelen zum Kino?

Akin: Der größte Unterschied ist, dass man eine Zeitung – sei’s auf Papier oder in der App – allein liest. Im Kino bist du gemeinsam. Ich lese immer noch Bücher und nicht auf dem Kindle. Das habe ich nicht gelernt und muss es auch nicht, solange es noch Bücher gibt.