3211: 1700 Jahre Juden in Deutschland

Im Jahr 2021 werden in Deutschland 1700 Jahre deutsch-jüdischen Lebens offiziell gefeiert. 321 n.C. hatte der römische Kaiser Konstantin der Große in einem Dekret erstmals die Berufung von Juden in den Kölner Stadtrat genehmigt. Auch vorher schon gab es Juden in Deutschland. Sie breiteten sich insbesondere nach der Zerstörung des Zweiten Tempels 70 n.C. durch Rom mit dem Imperium Romanum aus. Willkommen waren sie selten. Aber sie konnten lesen und schreiben und waren im Geld- und Fernhandel engagiert. Gebraucht wurden sie wegen ihres Know Hows. Zur Liquidierung von Juden kam es in der Spätantike und im Frühmittelalter so gut wie nie.

Das änderte sich im 11. Jahrhundert, als die Nicht-Juden  auch im damals islamischen Spanien in lukrative Geschäfte einsteigen und ihre Schulden loswerden wollten. Auch der Erste Kreuzzug (1096-1099) war partiell so motiviert. Die Heimat sollte judenrein und schuldenfrei werden. Es kam zu Massakern in Deutschland, Frankreich, Flandern und England. In deutschen Kirchen war das obszöne Motiv der „Judensau“ beliebt. Interessant ist die Soziologie des Antijudaismus. Die Unter- und Mittelschichten waren antisemitisch. Die Oberschichten pflegten aus ökonomischer Vernunft eine andere Einstellung zu Juden. Wenn sich die unteren Schichten gegen die Obrigkeit durchsetzen konnten, drohte den Juden in der Regel mörderische Gefahr. Für die Juden bedeutete die Obrigkeit regelmäßig Schutz vor Liquidierung.

Mit der Pest ab dem 14. Jahrhundert kam es in 1492 in Spanien, 1497 in Portugal und 1519 in Regensburg zu Judenvertreibungen. Erst nach dem dreißigjährigen Krieg (1618-1648) kamen wieder Juden ins Land. 1671 holte der Große Kurfürst aus wirtschaftlichen Gründen Juden nach Brandenburg, 1685 Hugenotten. Er brauchte Unternehmer. Im 19. Jahrhundert waren Juden in hervorragender Weise an der industriellen Modernisierung in Deutschland beteiligt. Das war den hasserfüllten Antisemiten unter den Deutschnationalen (DNVP) und den Nationalsozialisten (NSDAP) gleichgültig. Letztere verübten den sechsmillionenfachen Holocaust. Sie kamen wegen des Eingreifens der Alliierten im Zweiten Weltkrieg nicht ganz zum Ziel. Nach der Wiedervereinigung 1990 holte Bundeskanzler Helmut Kohl 200.000 Juden aus der Sowjetunion nach Deutschland. Ohne sie wäre das Judentum hier ausgestorben. Es gilt vielen Rechtspopulisten, „Reichsbürgern“ und Rechtsextremisten als „fünfte Kolonne Israels“ und Feind. Zu ihrem Glück haben die Juden heute Israel (Michael Wolffsohn, Die Welt 2.1.2001).