3116: Warum verstehen Patient und Arzt sich selten?

Dr. Yael Adler ist Ärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Venenheilkunde und Ernährungsmedizin. Außerdem ist sie Medizin-Kolumnistin bei der FAS. Sie hat gerade ihr neues Buch „Wir müssen reden, Frau Doktor“ publiziert. Johanna Dürrholz hat sie dazu befragt (18.10.20), warum sich Patient und Arzt so schlecht verstehen.

FAS: Ihr Anliegen richtet sich ja nicht nur an Patienten, sondern auch an Ärzte. Lernen die Ärzte die Kommunikation nicht in der Ausbildung?

Adler: Also in meiner Ausbildung hab ich’s nicht gelernt – ich bin aber auch eine mittelalte Ärztin. Die jungen Kollegen lernen das jetzt schon, die haben entsprechende Kurse und werden sensibilisiert. Im Rahmen meiner Recherche für das Buch habe ich ebenfalls eine Fortbildung gemacht: Arzt-Patienten-Kommunikation an der Uniklinik Nürnberg. Ich habe das als sehr hilfreich empfunden. Auch weil wir Ärzte die Patienten so professioneller beraten können – ohne an bestimmten Diagnosen selbst zu zerbrechen. Wenn man sich Dinge zu sehr zu Herzen nimmt, ist man kein guter Arzt mehr. Kommunikation und Empathie kann man bis zu einem gewissen Grad lernen. Ich wünsche mir, dass das ein regelmäßiger Fortbildungsinhalt für uns Ärzte wird. Das soll hier keine Ärzte-Schelte oder Patienten-Bashing sein, ich möchte einfach schauen: Wo kriselt’s?

FAS: Woran liegt es, dass Ärzte und Patienten einander so selten verstehen?

Adler: Zunächst einmal reden wir zu wenig miteinander. In Schweden haben Ärzte für ihre Patienten im Schnitt 23 Minuten Gesprächszeit, bei uns sind es nur sieben. Eine Beziehung braucht aber Zeit. Wenn die nicht da ist, reden Menschen aneinander vorbei oder eben gar nicht. …

FAS: Und was läuft im Gespräch selbst falsch?

Adler: Da machen wir Ärzte auch kommunikationstechnische Fehler, wenn wir etwa den Patienten zu Beginn eines Gesprächs anhören. Wir unterbrechen im Schnitt zu früh, nämlich schon nach 20 bis 30 Sekunden. Wenn wir den Patienten ausreden lassen würden, wäre er nach 90 Sekunden fertig und würde sich besser gehört fühlen. Wir Ärzte denken: Naja, gut, ich hab schon verstanden, was der hat. Und bei manchen Patienten sehe ich wirklich auch schon wenn sie zur Tür reinkommen, was sie haben. Aber es ist eine Frage des Respekts, dass man den anderen anhört. Und selbst wenn man bereits sehr früh weiß, was dem Patienten fehlt, kann man die Zeit nutzen, um auf die Körpersprache und Mimik zu achten. Das hilft, den Menschen als Ganzes zu verstehen und ihn besser einzuordnen. Wenn die Kommunikation mit dem Arzt scheitert, ist das wie ein Behandlungsfehler.

FAS: Was mache ich denn, wenn gerade Fachärzte so sprechen, dass ich es nicht verstehe?

Adler: Ganz ehrlich sagen: Ich verstehe Sie nicht, bitte schreiben Sie mir die Diagnose einmal auf. Oder – bitte zeichnen Sie doch mal: Wie gehen Sie bei der Operation vor? Was ist das für eine Krankheit? Was bedeutet es übersetzt? Eine gute Methode: Als Patient fasse ich alles in meinen eigenen Worten noch mal zusammen, und der Arzt hakt ein, wenn etwas nicht stimmt. So werden Ärzte gezwungen, anschaulich und verständlich zu erklären.