3113: Medien-Intellektuelle in Deutschland nach 1945

Der Historiker Axel Schildt (1951-2019) hat posthum eine Geschichte der Medien-Intellektuellen in der alten Bundesrepublik nach 1945 vorgelegt:

Axel Schildt: Medienintellektuelle in der Bundesrepublik. Herausgegeben von Gabriele Kandziora und Detlef Siegfried. Göttingen (Wallstein) 2020, 896 S., 46 Euro.

Seine Analyse wiegt schwer. Mehr als je zuvor waren die Intellektuellen (vgl. Dolf Sternberger: intellektuell. In: Dolf Sternberger/Gerhard Storz/W.E. Süskind: Aus dem Wörterbuch des Unmenschen. München 1962, S. 59-63) auf die Medien Zeitschrift, Radio und Fernsehen angewiesen. Das Kapitel über die 50er Jahre nennt Schildt „Einübung des Gesprächs“. Die 60er sind die Fernsehgesellschaft. Viele alte Nazis tarnten sich gegenseitig als Mitläufer. „Nicht mehr als etwa 1.000 Intellektuelle kehrten aus dem Exil zurück. Von insgesamt etwa 2.000 Journalisten im Exil waren in der Nachkriegszeit etwa 180 in den Printmedien tätig, dazu noch mal 60 bis 70 in den Radiostationen.“ Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die Universitäten waren die Bedingung für die Tätigkeit von Intellektuellen. Düstere Endzeitstimmung und Technikfeindlichkeit wurden alsbald abgelöst von modernen, nüchternen Stellungnahmen (Frauke Haman, taz 23.10.20).

Schildt tritt der falschen Annahme entgegen, die Adenauer-Ära sei langweilig und eintönig gewesen.

Auf die seinerzeit erbrachten intellektuellen Leistungen (Karl Jaspers, Rudolf Bultmann, Carl Friedrich von Weizsäcker, Friedrich Sieburg, Dolf Sternberger, Paul Tillich, Karl R. Popper, Hans Blumenberg, Jürgen Habermas et alii) bauen wir heute noch auf. Schildt war es leider nicht vergönnt, die geplanten vier Dekaden bis 1989 vollständig zu analysieren. Dadurch entgeht uns eine Menge Wissenswertes. Wir müssen weitermachen.