2987: Wie wir mit Plagiaten umgehen müssen.

1. Die Technische Universität Darmstadt geht im Plagiatsfall der Soziologin

Cornelia Koppetsch

bemerkenswert konsequent und schlüssig vor:

a) Sie sieht in dem Fehlverhalten der 53-jährigen „eine gravierende Missachtung guter wissenschaftlicher Praxis“,

b) sie verzichtet auf Relativierungen, wie sie mancherorts immer mehr um sich greifen,

c) sie geht vor gegen eine „Kultur“, in der Verstöße gegen grundsätzliche Standards dann in Kauf genommen werden, sofern sie „sekundäre Ersatzbelohnungen“ abwerfen.

2. Koppetschs Buch „Die Gesellschaft des Zorns“ war 2019 ein Kritiker- und Publikumserfolg zugleich. Darin beschäftigt sich die Autorin mit dem Aufstieg des Rechtspopulismus.

3. Als das Buch dann beim Bayerischen Buchpreis gut im Rennen lag, erklärte die FAZ-Kritikerin und Jurorin Sandra Kegel, ihr seien Vorwürfe „hinsichtlich der korrekten Zitierweise in diesem Buch“ bekannt geworden.

4. Der Juror Knut Cordsen teilte mit, Koppetsch habe den Begriff „Neogemeinschaften“ von dem Soziologen Andreas Reckwitz übernommen, ohne dies zu kennzeichnen, und überdies „zeilenlang ganze Satzperioden“ übernommen.

5. Kurz darauf wurden Koppetsch Übernahmen aus Büchern von Slavoj Zizek, Sighard Neckel, Maurizio Bach, Frank Riess und Wendy Brown nachgewiesen, und die TU Darmstadt setzte eine Untersuchungskommission ein.

6. Der Abschlussbericht der TU Darmstadt lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.

7. Dichte und Häufigkeit der Plagiate sprächen sogar „eindeutig“ dagegen, den Text als Qualifikationschrift anzuerkennen.

8. Damit hätte Cornelia Koppetsch also nicht promoviert werden können.

9. Ähnlich hatte es ja bei der Dissertation der Bundesfamilienministerin, Franziska Giffey (SPD), ausgesehen. Bei ihr hatte die FU Berlin nur eine „Rüge“ ausgesprochen und darauf verzichtet, den Titel abzuerkennen.

10. Sie berief sich dabei auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Das hatte festgestellt, dass Plagiate nur dann zu sanktionieren seien, wenn „die Plagiatsstellen die Arbeit quantitativ, qualitativ und in einer Gesamtschau beider Möglichkeiten prägen“.

11. TU-Präsidentin Tanja Brühl teilte unmittelbar nach der Veröffentlichung des Untersuchunbgsberichts mit, dass sie ein Disziplinarverfahren gegen Koppetsch einleiten werde, dass diese im schlimmsten Fall ihren Beamtenstatus kosten könne.

12. Es ist sehr erfreulich, dass neuerdings unsere wissenschaftlichen Standards wieder entschiedener verteidigt werden, weil sie anscheinend ohnehin generell unter Druck geraten sind (Felix Stephan, SZ 13.8.20).