2985: Weißrussische Präsidentschaftskandidatin nach Litauen geflohen

Swetlana Tichanowskaja, die oppositionelle Präsidentschaftskandidatin in Weißrussland, ist nach Litauen geflohen. Wahrscheinlich ihren beiden minderjährigen Kindern zuliebe. Noch am Montag nach der Wahl hatte die Kandidatin erklärt, dass sie die Wahl gewonnen habe und in Weißrussland bleiben wolle. Ihr Mann, Sergej Tichanowski, ein oppostioneller Blogger, sitzt bereits seit Mai im Gefängnis. Er war nicht zur Wahl zugelassen worden. Für ihn sprang seine Frau ein.

Frau Tichanowskaja sei in Litauen und in Sicherheit, teilte der litauische Außenminister, Linas Lincevicius, am Dienstag mit. Tichanowskajas politische Vertraute, Olga Kowalkowa, berichtete, dass die Präsidentschaftskandidatin nicht freiwillig gegangen sei. Vielmehr hätten die Behörden sie außer Landes gebracht. In einem Video sagte Tichanowskaja: „Viele werden mich verstehen, mich verurteilen oder hassen. Aber Gott bewahre, dass die je vor so einer Wahl stehen müssen, wie ich es musste.“ Ihre beiden Kinder hatte sie bereits vor der Wahl nach Litauen in Sicherheit gebracht.

In der Nacht zum Dienstag war es in Minsk und anderen Städten zu heftigen Protesten gegen Machthaber Lukaschenko gekommen. Die Polizei setzte Gummigeschosse, Blendgranaten und Tränengas ein. Hunderte wurden verletzt. Es gab einen Toten. 2.000 Menschen sind festgenommen worden. Bereits in der Nacht zuvor hatte es etwa 100 Verletzte und 3.000 Festnahmen gegeben. Internetseiten unabhängiger Medien und Kanäle in sozialen Netzwerken wurden blockiert (Silke Bigalke, SZ 12.8.20).

Die Vorgänge in Weißrussland erinnern unmittelbar an das Verhalten in der Sowjetunion. Regiert wird mit Polizei und Gewalt. Mit dem Unterschied, dass es heute eine bemerkenswerte Opposition gibt. Das war in der Sowjetunion unmöglich.

Hier können wir noch lange darauf warten, dass es endlich demokratische Verhältnisse gibt.