2780: Uwe Timm 80

Für mich ist Uwe Timm der deutsche Schriftsteller, der am klügsten über 1968 und die Achtundsechziger geschrieben hat. In seinem Debütroman „Heißer Sommer“ 1974. Weil er dabei war und Bescheid wusste im München der sechziger Jahre. Wo über Alt-Nazis und Godard-Filme diskutiert wurde. Das hat seine Literatur bis auf den heutigen Tag geprägt. Der in Hamburg geborene Schriftsteller wird 80 Jahre alt (Antje Weber, SZ 30.3.20).

Timms großes Werk ist bis heute sehr vielschichtig und erfahrungsgesättigt. Er beschäftigt sich kundig und kritisch mit Utopien und lässt dabei die damit einhergehenden Enttäuschungen nicht aus. Timm interessiert sich für den Einzelnen und für sich selbst. Seine autobiografischen Bücher „Am Beispiel meines Bruders“ (2003) über die freiwillige Meldung seines Bruders zur Waffen-SS und „Der Freund und der Fremde“ (2005) über seinen Schulfreund Benno Ohnesorg belegen das.

Timm hatte zunächst das elterliche Kürschnergeschäft saniert und dann erst studiert und mit dem Schreiben begonnen. Schon in seinem Roman „Morenga“ (1978) nahm er sich den deutschen Kolonialismus mit seinen Völkermorden an den Herero und Nama vor (das gerade mit einem Nachwort von Robert Habeck neu aufgelegt worden ist). Timms berühmtestes Buch „Die Erfindung der Currywurst“ (1993) brachte ihm den Ruf eines Chronisten der Bundesrepublik ein.

Er hielt in Tübingen Poetik-Vorlesungen. Da heißt es: „Die Dichtung kann das ideologisch Utopische in das Komische, in das Groteske, ins widerständig Allgemeinmenschliche verschieben.“ Bei Uwe Timm stimmt das (Marie Schmidt, SZ 30.3.20).