640: Moralische Entscheidungen sollten Menschen treffen.

Wien war in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts das Zentrum für Logik in der Welt. Denker wie Ludwig Wittgenstein, Kurt Goedel und Karl Raimund Popper prägten das Bild Wiens in der Logik. Heute ist die österreichische Hauptstadt wieder ein führender Standort der Logikforschung. Dort findet zur Zeit der „Vienna Summer of Logic“ mit 2.500 Teilnehmern aus aller Welt statt. Helmut Veith ist einer der Hauptorganisatoren. Ihn hat Christian Weber für die SZ interviewt (19./20.7.14)

SZ: Manche Computerwissenschaftler sagen, dass Roboter auch Emotionen erkennen und vielleicht auch äußern sollten, um effizient mit Menschen zu interagieren.

Veith: Ich weiß nicht, ob wir uns humanoide Computer wünschen sollen, die womöglich noch autonom entscheiden und als Chirurgen oder Soldaten agieren. Die künstliche Intelligenz sollte uns nur Werkzeuge liefern. Die großen Fragen, die ja immer auch moralische Komponenten haben, sollten wir Menschen entscheiden.

SZ: Lässt sich nicht auch Moral nach logischen Regeln in Computer und Roboter einbauen? Manche Computerwissenschaftler plädieren für Moralprogramme in Drohnen, weil sie sich an die Regeln besser halten als Menschen, die vielleicht gerade in Todesangst entscheiden müssen.

Veith: Schwierige Frage. Ja, eine Drohne läuft nicht Amok. Dennoch wäre es im eigentlichen Sinn des Wortes unmenschlich, Entscheidungen über Leben und Tod dem Computer zu überlassen. Es sei denn, zwei Drohnen erschießen sich gegenseitig, das wäre mir sympathisch – allerdings könnte man den Krieg dann gleich als Computersimulation führen. Aber im Ernst, ich halte es mit Robert Musil, der geschrieben hat, dass Moral die Seele durch Logik ersetzt. Was aber geschieht, wenn der Computer auf Situationen stößt, wo ihm eine logische Regel keine Antwort gibt? Und die Seele fehlt? Ich denke auch an jene berühmten Situationen im Kalten Krieg, wo jemand wie Stanislaw Petrow 1983 dann doch nicht auf den Knopf für die Atomraketen gedrückt hat, weil sein Instinkt nicht an den gegnerischen Angriff geglaubt hat, den ihm die Computer gemeldet hatten.

SZ: Brauchen wir also weiterhin so etwas wie Intuition?

Veith: Ganz sicher. Für existentielle Extremsituationen ebenso wie für die Schönheit mathematischer Formeln. Aber klar ist auch , dass die Informatik in den nächsten Jahrzehnten eine Schlüsselwissenschaft werden wird, die ganz neue philosophische, juristische und politische Fragen aufwirft. Der öffentliche Diskurs ist da noch nicht weit genug